• Frage: Was halten Sie von Wasserstoff?

    Frage gestellt JorisH am 17 Mrz 2022. Diese Frage wurde auch von lukas gestellt.
    • Foto: Franziska Müller

      Franziska Müller Beantwortet am 17 Mrz 2022:


      Die Wasserstoffstrategie ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Um die Schwerindustrie zu dekarbonisieren, könnte grüner + blauer Wasserstoff eine große Chance darstellen. Allerdings setzt die Wasserstoffstrategie voraus, dass der Wasserstoff außerhalb Deutschlands und Europas in Ländern des globalen Südens hergestellt wird. Dafür hat das Bundesforschungsministerium eine Reihe von Zielländern definiert (zB Südafrika, Ghana, Namibia, Burkina Faso, Mali,…) Die Strategie befasst sich aber nicht mit der dortigen Energiepolitik, mit Landkonflikten (die Solarkraftwerke für den Wasserstoff müssen ja irgendwo stehen) oder damit, wie die dortige Bevölkerung von der Wasserstoffproduktion profitieren kann. Für die Wasserstoffproduktion sind außerdem große Mengen Wasser erforderlich, und dies kann die Wasserknappheit in den Ländern verschärfen. Deswegen müsste die Wasserstoffstrategie dringend angepasst werden, um entwicklungspolitische Belange zu beachten, Teilhabe an Erneuerbaren Energien zu ermöglichen, und ökologische Risiken zu vermeiden.

    • Foto: Andreas Braun

      Andreas Braun Beantwortet am 17 Mrz 2022:


      Ich glaube, grüner (!) Wasserstoff ist eine wichtige Zukunftstechnologie. Zum Beispiel, weil er als nachhaltiger Treibstoff genutzt werden könnte. Wichtig ist logischerweise, dass die Produktion des Wasserstoffs – die sehr energieintensiv ist – mit erneuerbaren Energien erfolgt. Wichtig ist auch, dass in den Zielregionen, in denen man Wasserstoff herstellt, fair vorgegangen wird. Eine wichtige Region ist Patagonien. Dort sind große Potentiale für erneuerbare Energien vorhanden, mit denen man green hydrogen herstellen könnte. Entsprechend groß ist das industrielle Interesse (Siemens, Porsche etc.). Jetzt ist es wichtig, dass in genau solchen Regionen eben NICHT mit dem alten System des Casino-Kapitalismus vorgegangen wird, wie früher. Also z.B. einige wenige europäische/amerikanische Firmen reißen das Business an sich, machen damit horrende Gewinne und die lokale Bevölkerung hat gar keine Vorteile davon. Das haben wir leider schon erlebt. Im Zuge des Kyoto Protokolls kam es z.B. zu Carbon Colonialism. Um CO2 Einsparungen zu erzeugen, haben Firmen und Länder des globalen Nordens im Süden z.B. ziemlich rücksichtslos Wälder aufgeforstet. Mit zum Teil sehr negativen Auswirkungen für die Bevölkerung.

      Es ist immer wichtig, das Gesamtbild zu sehen: CO2 Einsparungen durch neue Technologien ja, aber eben im Umgang mit andern Ländern fair bleiben.

    • Foto: Dr. Sigurd Buchholz

      Dr. Sigurd Buchholz Beantwortet am 17 Mrz 2022: last edited 17 Mrz 2022 08:44


      Hi!
      Wasserstoff ist ein wichtiger chemischer Grundbaustein und erneuerbare Energien (Solar, Wind) sind der Schlüssel zur klimaneutralen Erzeugung. Des weiteren kann Wasserstoff auch Erdgas als Energieträger bei der industriellen Dampferzeugung ersetzten. Dampf wird als Wärmeträger insbesondere in der chemischen Industrie benötigt. Bis die erforderliche Infrasturktur aufgebaut und angepasst ist, werden allerdings noch einige Jahre vergehen. Zwei Anmerkungen zur „Wasserstoffwirtschaft“ noch: Kohlenstoffbasierte Bausteine wird grüner Wasserstoff alleine natürlich nicht ersetzen können und einen Einsatz z.B. als Treibstoff sehe ich im Individualverkehr aufgrund der hohen technischen Sicherheitsanforderungen eher nicht.

    • Foto: Petra Schäfer

      Petra Schäfer Beantwortet am 17 Mrz 2022:


      Hallo Joris,

      Wasserstoff ist im Verkehrsbereich eine gute Alternative zu Verbrennungsfahrzeugen. Vor allem bei Bussen wird diese Technologie bereits erfolgreich eingesetzt. Bei den Pkw hat sich eher der batterieelektrische Antrieb durchgesetzt, vor allem auch, weil es wenige Wasserstofftankstellen gibt. Insgesamt sind die Fahrzeuge besser als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

    • Foto: Michael Arndt

      Michael Arndt Beantwortet am 17 Mrz 2022:


      Wenn man elektrische Energie mit Solaranlagen oder Windkraftanlagen erzeugt, stellt sich immer das Problem, wie man diese elektrische Energie für später speichern kann. Das kann man natürlich mit Batteriespeichern machen, aber eben auch mit Wasserstoff. Dazu wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch die Elektrolyse umgewandelt. Den Wasserstoff kann man relativ gut speichern und später entweder zum Heizen verbrennen, oder über Brennstoffzellen wieder zur Stromerzeugung verwenden. Ausserdem kann Wasserstoff als Treibstoff für Autos und LKWs verwendet werden.
      Wasserstoff ist also wichtig als Speicher für „grün“ erzeugten Strom. Ich denke, das deshalb Wasserstoff noch eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen wird.

    • Foto: Lutz Böhm

      Lutz Böhm Beantwortet am 17 Mrz 2022:


      Vielleicht hast du im Wahlkampf letztes Jahr mal bei einem dieser Kanzlertrielle reingeschaltet. Da wurde auch häufiger mal die chemische Industrie, zum Beispiel die Firma BASF, im Zusammenhang mit Wasserstoff genannt. Die chemische Industrie ist sehr groß in Deutschland, viele Leute arbeiten bei diesen Firmen. Und Wasserstoff ist dort ein unheimlich wichtiger Stoff in der Herstellung fast aller Produkte. Und diese Produkte hast du überall um dich herum, fässt sie in diesem Moment an, trägst sie vielleicht am Körper. Ich will hier nur mal den allgemeinen Begriff Kunststoff nennen. Dieser Wasserstoff wird häufig aus Erdgas und ähnlichen fossilen Stoffen hergestellt. Wir müssen es schaffen, mit Hilfe erneuerbarer Energien, zum Beispiel Windkraft, sehr viel Wasser in (grünen) Wasserstoff und Sauerstoff aufzuteilen, damit diese Industrie nicht mehr auf die schädlichen fossilen Stoffe zurück greifen muss. Unter anderem deswegen ist Wasserstoff total wichtig, aber eben auch auf vernünftige Art erzeugter Wasserstoff.
      Was ein bisschen doof an Wasserstoff ist, ist übrigens, dass er sehr flüchtig ist. Vereinfacht gesagt, ist das Molekül so klein, dass es sogar durch Stahlwände durchgehen kann. Gar nicht so einfach, wenn es in Tanks lagern oder durch Rohre transportieren möchte.

    • Foto: Olav Werhahn

      Olav Werhahn Beantwortet am 17 Mrz 2022:


      Wasserstoff ist ein gutes Thema. Daran kann man viele interessante Aspekte und Herausforderungen der heutigen Zeit studieren. Die Kollegen haben schon viele dieser Aspekte beleuchtet, die Farbe des Wasserstoffs z.B., die Herkunft bzw. den Import aus anderen Ländern, meist außerhalb Europas, die Nutzungsarten bei uns für Verkehr, Stahlindustrie oder Energiespeicherung. Als Physiker kann ich mit einem kleinen Schmunzeln noch hinzufügen, das Wasserstoff als die Nr. 1 im Periodensystem auch ein cooles Atom bzw. dann ein Molekül ist. Man versteht da noch so viel dran, ganz anschaulich 🙂 .

      Für mich und meine Arbeit ist z.B. die Frage der Farbe des Wasserstoffs von Interesse. Farbe heißt eigentlich besser, die Herkunft des Wasserstoffs. Als grün wird Wasserstoff bezeichnet, wenn er aus der Aufspaltung von Wasser mittels regenerativer Stromquellen erzeugt worden ist. Blau heißt Wasserstoff, der aus fossilen Gasen wie Methan gewonnen wird, die dabei entweichenden CO2-Emissionen aber wieder recycelt werden. Die nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands setzt nur auf grünen Wasserstoff – das finde ich gut und klingt plausibel. Mir wäre es aber sehr Recht, wenn wir die Farbe des Wasserstoffs auch messen könnten – das ist eins der Ziele unserer Forschungsarbeit.

    • Foto: Volker Stelzer

      Volker Stelzer Beantwortet am 17 Mrz 2022:


      Wasserstoff (H2) wird in der Chemischen Industrie schon lange zur stofflichen Nutzung verwendet. Im Energiesektor wird er bisher wenig eingesetzt.
      Allerdings hat er einen reltativ hohen Energiegehalt, kann mit einigen Vorsichtsmaßnahmen in Leitungen, Tankwagen oder Schiffen transportiert oder in Tanks gelagert werden. Dabei sind die Energieverluste nicht sehr hoch. Wichtig ist auch, dass er – im Gegensatz zu Methan – kein Treibhausgas ist.
      Durch diese Eigenschaften kann er relativ gut für den Transport und die Lagerung von Energie genutzt werden. Auch im Bereich des Tansports großer Lasten (LKW, Zug) oder den Flugverkehr wird er in Zukunft eine große Rolle spielen. Obwohl es auch PKW mit Brennstoffzellenantrieben auf Wasserstoffbasis gibt, scheint sich in diesem Bereich der Elektroantrieb durchzusetzen. Auch, weil die Fortbewegung auf der Basis von Wasserstoff relativ wenig effizient ist.
      Wenn über Wasserstoff im Energiebereich gesprochen wird, hat man manchmal den Eindruck, als wenn Wasserstoff ein Energierohstoff wäre wie Kohle, Öl oder Solarstrahlung. Das ist nicht der Fall. Wasserstoff kommt in der Atmosphäre nur in äußerst geringen Anteilen vor. Für eine energetische Nutzung wird er extra hergestellt, in der Regel aus der Spaltung von Wasser (2 H2O wird gespalten in O2 und 2 H2). Dieser Vorgang benötigt Energie, wie auch jede Wandlung von einer Energieform in eine andere Energie benötigt. Deshalb spricht man auch davon, dass der Einsatz von Wasserstoff in vielen Bereichen wenig energieeffizient ist.
      Für den Einsatz in der Zukunft ist wichtig, dass aller Wasserstoff unter Einsatz von erneuerbaren Energien erzeugt wird (gründer Wasserstoff). Wasserstoff z.B. aus Erdgas ist sogar noch schädlicher für das Klima, als die direkte Nutzung von Erdgas.

    • Foto: Maren Nattermann

      Maren Nattermann Beantwortet am 17 Mrz 2022: last edited 17 Mrz 2022 13:23


      Ich kann vielleicht noch etwas zu den Kollegen hinzufügen, die schon von der Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff gesprochen haben, die durch Strom ermöglicht ist.

      Wasserstoff in großen Mengen zu speichern, kann gefährlich sein – das berühmteste Beispiel dafür ist wahrscheinlich das Verunglücken der Hindenburg, bei dem sich der Wasserstoff in einem Zeppelin entzündet und eine Explosion verursacht hat. Moderne Methoden der Speicherung sind sehr sicher, aber das Risiko einer solchen Explosion bleibt immer bestehen.

      Es gibt in der Elektrochemie eine recht interessante Lösung zur Wasserstoffspeicherung: man betreibt noch eine weitere Reaktion mit Strom: die sogenannte elektrochemische Hydrogenation von Kohlenstoffdioxid. Dabei verbraucht man in gleichen Mengen Wasserstoff und CO2, und stellt Ameisensäure her – chemisch ist das H2 + CO2 = HCOOH. Ameisensäure ist eine Flüssigkeit, die sich recht gut in großen Mengen speichern lässt.

      Damit schlägt man ein bisschen zwei Fliegen mit einer Klappe – man entzieht der Luft CO2 und kann es quasi „einlagern“, und man kann in der Zukunft den Wasserstoff wieder frei setzen und nutzen.

      Darüber hinaus kann man mit dieser Methode auch direkt nutzbare Stoffe herstellen – zum Beispiel Methan (Erdgas) oder Ethanol (Alkohol). Diese Stoffe können somit CO2-neutral hergestellt werden können. Wichtig ist dabei, wie die Kollegen auch schon erwähnt haben, dass CO2-Neutralität immer nur dann gewährleistet ist, wenn der Strom, der genutzt wird, zu 100% aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.

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